Mittelständische Unternehmen aus Deutschland haben in den vergangenen Jahren die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU und Regelungen wie die „Blue Card“ genutzt, um qualifizierte Fachkräfte aus dem europäischen Ausland anzuwerben. Doch die Fachkräftesicherung stellt sich zunehmend als schwierig heraus, in manchen Branchen ist der Mangel an Fachkräften besonders groß. Im folgenden ersten Teil gehen wir dem Problem auf den Grund.

Fachkräftemangel – Mythos oder Realität?

Haben wir wirklich einen Fachkräftemangel? Das BMWI (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie) stellt fest, dass es in Deutschland derzeit keinen flächendeckenden Fachkräftemangel gibt. Dennoch haben es vor allem die kleinen und mittelständischen Unternehmen in Deutschland schwer, geeignete Mitarbeiter zu finden und klagen daher über Fachkräftemangel.

Studien bestätigen: Fachkräftemangel größtes Risiko von Unternehmen

In verschiedenen Studien geben Unternehmen den Fachkräftemangel als ihr größtes Problem an: sowohl für den Mittelstand (VR Mittelstandsstudie, Herbst 2019) als auch für Industrieunternehmen (DIHK Konjunkturumfrage, Herbst 2019).

Auch laut BMWI sehen 55 Prozent der Unternehmen den Fachkräftemangel als Geschäftsrisiko – und das auf lange Sicht.

Fachkräftemangel oder Fachkräfteengpass?

Den Fachkräftemangel beschreibt das BMWI nicht als flächendeckend über alle Berufe, Regionen und Branchen. Bei 352 von 801 Berufsgruppen wird daher von Fachkräfteengpässen gesprochen, diese sind also noch nicht von einem generellen Fachkräftemangel betroffen. Je nach Beruf hat sich aber ein Fachkräfteengpass gefestigt, der sich inzwischen über ganz Deutschland erstreckt. Im wirtschaftsstarken Süddeutschland und den neuen Bundesländern sind die Auswirkungen besonders zu spüren.

Wer ist betroffen?

Die Metall- und Elektroindustrie betrifft dieser Engpass stark: im Ingenieurwesen den Maschinen- und Fahrzeugbau, beim Handwerk die Elektrotechnik, -installation und –montage sowie den Rohrleitungsbau, die Schweißtechnik und den Maschinenbau. Unter den Ausbildungsberufen verzeichnet der Beruf des Mechatronikers den größten Mangel.

Gründe für einen Fachkräftemangel

fachkraeftemangel

Woher kommt ein Fachkräftemangel oder Fachkräfteengpass, wie wir ihn aktuell in bestimmten Bereichen vorfinden? Grundsätzlich sorgt ein langanhaltender Konjunkturboom der Wirtschaft und Industrie wie derzeit für erhöhten Fachkräftebedarf, welcher langfristig einen Fachkräftemangel nach sich zieht.

Unsere Gesellschaft wird älter

Einen der wichtigsten Gründe stellt jedoch der demographische Wandel dar: Viele ältere Mitarbeiter gehen in Rente, zu wenige junge Fachkräfte und Neueinsteiger rücken nach. Laut BMWI werden wir 2030 3,9 Millionen Menschen weniger im erwerbsfähigen Alter von 20 bis 65 Jahren haben; ohne Zuwanderung und ausländische Fachkräfte wären es im Jahr 2060 sogar ein Drittel weniger.

Ausbildung zu einem Beruf – oder Abitur?

Aber nicht nur die jungen Menschen werden weniger, sie haben auch häufiger Abitur und entscheiden sich daher seltener für eine Ausbildung. Berufsbilder der produzierenden Industrie und des Handwerks wurden in den letzten Jahren zunehmend unpopulär, wobei jedoch Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung am häufigsten fehlen.

Digitalisierung: der Bewerbungsprozess verändert sich

Bewerber suchen heute Informationen über Unternehmen vor allem im Internet: via Google-Suche oder in Sozialen Medien – dabei spielt der persönliche Kontakt noch immer eine große Rolle.

Im Zeitalter der Digitalisierung müssen mittelständische Unternehmen für moderne Formen des Recruitings breit aufgestellt sein. Fachkräftemangel kann so auch durch einen Rückstand und Kompetenzmangel von Unternehmen beim Recruiting via Internet sein.

Fachkräftemangel nicht nur in Deutschland

Das Problem des Fachkräftemangels hat sich inzwischen auf Europa ausgeweitet. Während Mittelständische in den letzten Jahren über die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU und andere Maßnahmen Fachpersonal anwerben, herrscht nun auch auf dem Arbeitsmarkt in Westeuropa ein Mangel an qualifizierten Fachkräften.

Im zweiten Teil „Fachkräftemangel Teil 2: Möglichkeiten und Chancen“  werden wir Antworten und übergreifende Maßnahmen der Bundesregierung wie das Fachkräfteeinwanderungsgesetz beleuchten, mit denen man dem Fachkräftemangel entgegensteuern kann.

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